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„Vor den Opfern verbeugen“

Pogromgedenkfeier der Gemeinde Kall auf dem jüdischen Friedhof – Bürgermeister Hermann-Josef Esser legte im Namen  von Rat und Verwaltung ein Gesteck nieder

Kall – Es sind wieder unruhige Zeiten in Deutschland. „Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sind in unserem Land nicht verschwunden, im Gegenteil – Halle hat es gezeigt“, sagte Kalls Ortsvorsteher Stefan Kupp bei der Pogrom-Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof in Kall. Und auch Bürgermeister Hermann-Josef Esser schloss sich ihm an. „Der Antisemitismus in Deutschland nimmt wieder zu. Deshalb müssen wir dagegen ein Zeichen setzen.“

Mehrere Dutzend Personen, darunter zahlreiche Ratsmitglieder, waren am Samstag des 9. November, zum 81. Jahrestag der furchtbaren Reichspogromnacht, auf den Friedhof in der Loshardt gekommen, um der Opfer des Holocaust zu Gedenken. „Ich möchte anregen, dass wir jedes Jahr eine solche Veranstaltung abhalten, um das Vergessen zu vermeiden und die Erinnerung hochzuhalten“, sagte Esser.

Bürgermeister Hermann-Josef Esser legte auf dem Grab von Salomon und Pauline Ruhr im Namen von Rat und Verwaltung ein Gesteck nieder. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

In einer beeindruckenden Rede erinnerte Stefan Kupp an die Ereignisse vor 81 Jahren. „Zwischen dem 9. und 12. November wurden Synagogen und Betsäle entweiht, wo kein Risiko für Nachbargebäude bestand, wurde Feuer gelegt.“ Juden, sogenannte Zigeuner, Homosexuelle und politisch Andersdenkende wurden wie Vieh in die Vernichtungslager transportiert. „Die Opfer des Holocaust sind ein nicht auszulöschender Teil der deutschen Geschichte“, so Kupp weiter. „Wir tragen die Verantwortung für die Erinnerung und auch die Zukunft“, sagte der Ortsvorsteher. Es gelte Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. „Für diese Grundrechte müssen wir jeden Tag kämpfen.“

Mehrere Dutzend Menschen waren auf den jüdischen Friedhof hinter dem Berufskolleg Eifel gekommen, um der Opfer des Holocaust zu gedenken. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Der Historiker Hubert Büth wusste, dass der etwa 1000 Quadratmeter große jüdische Friedhof von 1838 bis 1939 genutzt wurde und dass die Kaller Synagoge zwar angezündet wurde, von Nachbarn aber gelöscht werden konnte. Wolfgang Königsfeld und Luise Binger trugen Psalmen, Königsfeld betrachtete auch die Rolle der Juden. „Sie wurden früh als Gottesmörder ausgemacht und ihnen wurde die Schuld an allen Unglücken dieser Welt gegeben.“ Dabei sei Antisemitismus eine unverantwortliche Meinungsmache. Pfarrer Christoph Ude meinte: „Rückgängig machen können wir das alles nicht, aber uns vor den Opfern verbeugen.“ Friederike Nesselrode von der Musikkapelle Kall trug Fagottstücke vor und zitierte Mordhekay Gebirtigs „Undzer Shtetl brent“, in dessen Übersetzung es heißt: „Es brennt, Brüder, es brennt!“

Friederike Nesselrode von der Musikkapelle Kall spielte auf ihrem Fagott mehrere Stücke. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Bürgermeister Esser sagte zum Abschluss: „Es ist ein Privileg, in einer anderen Zeit zu leben, denn es ist unvorstellbar, dass Menschen in unsere Häuser kommen, uns rauszerren und die Männer verschleppen und töten.“ Er legte im Namen von Rat und Verwaltung der Gemeinde Kall ein Gesteck auf dem Grab von Salomon und Pauline Ruhr nieder.

pp/Agentur ProfiPress