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Vier Männer und eine Orchidee

Schützenswerte Bienen-Ragwurz wächst mitten im Park des Seniorenheims „Kreuser-Stift“ – Samen können bis zu hundert Kilometer überwinden – Wiese wird wegen Fund erst später gemäht

Mechernich – Wenn vier erwachsene Männer um eine kleine Orchidee stehen und ins Schwärmen geraten, dann muss es sich um eine besondere Art handeln oder der Fundort ungewöhnlich sein. Bei dem Mechernicher Exemplar ist sogar beides der Fall.

Entdeckt wurde das gute Stück, die Bienen-Ragwurz, lateinisch „Ophrys apifera“, auf den Parkwiesen des Kreuser-Stifts. „Das sind Prachtexemplare“, schwärmt der Antweiler Geobotaniker Prof. Dr. Wolfgang Schumacher. Filigran gebaut, leicht rosa-gefärbte Blüten, mit bienenähnlicher Lippe von weitem kaum zu entdecken, entfaltet sie bei näherer Betrachtung ihre wahre Schönheit – und das mitten in der Stadt.

Geobotaniker Prof. Dr. Wolfgang Schumacher (v.r.), Heimleiter Peter Kleinen, „Entdecker“ Jo Schwartz und Naturkundler Rolf Höveler freuen sich über den Fund der seltenen Bienen-Ragwurz im Park des Seniorenheims „Kreuser“ mitten in Mechernich. Foto: Kirsten Röder/pp/Agentur ProfiPress

„Die entscheidende Frage ist, wie kommt die Orchidee hierhin“, sinniert Schumacher und zählt vor der Pflanze kniend die Blüten „…drei, vier, fünf, sechs“. Letztlich ist es aber nicht nur eine einzelne Pflanze. Vielmehr stößt der Experte im Grün auf zahlreiche weitere Vertreter dieser Art. Die Gattung scheint sich wohl zu fühlen in dem Parkareal und unter den Bedingungen, die sich dort bieten. Wie alle heimischen Orchideen gehört auch diese zu den besonders geschützten Arten.

„Insgesamt sind es sicher über 100 Stück der Ophrys apifera. Davon etwa fünfzig in Blüte“, schätzt Rolf Höveler. Der Naturkundler hat einen Blick dafür, führt er doch regelmäßig umfangreiche Orchideen-Populationserhebungen im Rotbachtal durch.

Filigran gebaut, leicht rosa-gefärbte Blüten, mit bienenähnlicher Lippe, von weitem kaum zu entdecken, entfaltet sie bei näherer Betrachtung ihre wahre Schönheit: die Bienen-Ragwurz. Wie alle Orchideen gehört auch sie zu den schützenswerten Arten. Foto: Kirsten Röder/pp/Agentur ProfiPress

Die anderen 50 sind dagegen dunkel an den Blättern gefärbt. Das ist vermutlich ein Resultat des trockenen Frühjahrs, einige wurden sicherlich auch durch Spätfröste geschädigt, so Schumacher: „Früher war die Bienen-Ragwurz hier in der Eifel selten.“ Es habe sie zwar an ausgesuchten Stellen gegeben, dann aber selten mehr als zehn oder zwanzig Stück. Dass sie sich immer stärker nun in den heimischen Gefilden ausbreite, habe vermutlich auch mit dem Klimawandel zu tun. Ursprünglich stamme die Orchideenart aus dem Mittelmeerraum und liebe Wärme.

„Ähnlich wie Wüstensand“

Die Samen aller Orchideen können weite Entfernungen überbrücken. „Sie sind staubfein, haben aber kein Nährgewebe. Über Wind und Thermik können sie bis zu hundert Kilometer und mehr transportiert werden. Ähnlich wie Wüstensand, der ja auch gelegentlich bei uns ankommt“, so der Professor. Das Mechernicher Exemplar könne daher aus dem Südkreis Euskirchen, dem Trierer Raum oder sogar aus dem Elsass stammen.

Das Entscheidende sei nicht die Weite des Fluges, sondern der Untergrund, wo die Samen landen. Schumacher weiter: „Sie keimen nur auf kalkhaltigem Boden und wenn sie einen bestimmten Wurzelpilz finden – und zwar innerhalb von sechs Wochen.“

Prof. Dr. Wolfgang Schumacher im Gespräch mit Jo Schwartz, der in Mechernich aufgewachsen ist und mit der Mutter bei einem Spaziergang die Orchidee in großer Zahl im Park des Seniorenstifts „Kreuser“ entdeckte. Foto: Kirsten Röder/pp/Agentur ProfiPress

Im Kreuser-Stift-Areal scheinen sie jedenfalls einen optimalen Untergrund angetroffen zu haben. Sie wachsen und gedeihen prächtig. Heimleiter Peter Kleinen erklärt, dass sich im Boden des Parks teilweise noch Überreste von einstigen Kreuserstift-Gebäuden befinden, die abgerissen und nur mit Erde überdeckt wurden.

Schumacher bestätigt: „Ja, der steinige Boden und Kalkmörtel könnten sich positiv ausgewirkt haben.“ So sei der Boden durchaus vergleichbar mit dem Kalkmagerrasen wie man ihn häufig in der Eifel antreffe. Da tummelten sich die Wurzelpilze tatsächlich gerne, auf gedüngter Fläche dagegen nur selten.

Im Kreis Euskirchen gebe es insgesamt ungefähr 35 verschiedene Orchideenarten – darunter so namhafte wie Hängender Mensch, Rotes Waldvögelein, Geflecktes Knabenkraut oder Bocks-Riemenzunge.

„Geschulter Blick“

Jo Schwartz hat die Bienen-Ragwurz im Kreuser-Stift-Garten als Erster entdeckt. In Mechernich aufgewachsen, besucht der Kölner Fotograf und Bildjournalist seine Mutter heute regelmäßig im Kreuser-Stift. „Ich ging wie immer mit ihr im Garten dort spazieren“, berichtet er von dem Moment als ihm das blühende Gewächs ins Auge stach. Sein Blick war geschult durch eine Orchideen-Exkursion durch das Urfeyer Tal im Jahr zuvor, bei der er viel über die heimischen Arten erfahren konnte.

Um den besonderen Fund im Mechernicher Garten zu schützen, hat sich die Leitung des Stifts bereit erklärt, die Wiesenfläche erst viel später als sonst zu mähen, nämlich nach der Hauptblütezeit, frühestens Ende Juli.

Manchmal muss man suchen, bevor man erfolgreich die nächste Orchideenpflanze erblickt. Foto: Kirsten Röder/pp/Agentur ProfiPress

Die Bewohner des Hauses können sich also weiterhin bei ihren Rundgängen im Freien am Anblick der blühenden Orchideen erfreuen. „Das tun sie auf jeden Fall“, bestätigt Kleinen. Auch Bänke laden zum Verweilen ein.

Und natürlich gilt auch im Kreuser-Stift – wie schon Loki Schmidt, die Frau des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt, einmal sagte: „Anschauen immer – Abpflücken nie!“

pp/Agentur ProfiPress