Sklaverei in der Nordeifel
Trauriges Kapitel Zwangsarbeit: Der Journalist Franz Albert Heinen stellt sein neues Buch „Abgang durch Tod“ am Sonntag, 18. März, um 15 Uhr in der Aula des städtischen Schleidener Sturmius-Gymnasiums, Blumenthaler Straße 7, vor – Das 476-seitige illustrierte Werk wird vom Geschichtsforum Schleiden herausgegeben und ist im örtlichen Buchhandel zum Preis von 14,80 Euro erhältlich (ISBN 978-3-00-059006-1)
Schleiden/Eifel – Sein neues Buch „Abgang durch Tod – Zwangsarbeit im Kreis Schleiden 1939 – 1945“ stellt der Journalist Franz-Albert Heinen am Sonntag, 18. März, um 15 Uhr in der Aula des städtischen Schleidener Sturmius-Gymnasiums, Blumenthaler Straße 7, vor. Das 476-seitige illustrierte Werk wird vom Geschichtsforum Schleiden herausgegeben und ist im örtlichen Buchhandel zum Preis von 14,80 Euro erhältlich (ISBN 978-3-00-059006-1).
„Unser Pole hatte es gut“: Mit solchen beruhigenden und nicht hinterfragten Hinweisen beschrieben viele Zeitzeugen nach 1945 die Zwangsarbeit von meist kriegsgefangenen Ausländern in der Eifel. Der frühere Stadt-Anzeiger-Redakteur Franz-Albert Heinen zeichnet nun in seinem neuen Buch „Abgang durch Tod – Zwangsarbeit im Kreis Schleiden 1939 – 1945“ ein deutlich anderes, realistischeres und daher teilweise verstörendes Bild von Hungerlagern, Misshandlungen, drakonischen Strafen, Erschießungen und Erhängungen sowie dem qualvollen Tod in Konzentrationslagern und Massengräbern.
337 Todesopfer unter „Fremdarbeitern“
Der Autor verweist für die Zeit von 1939 bis 1945 auf mindestens 337 Todesopfer unter den Zwangsarbeitern im Kreis Schleiden: Somit waren die „Fremdarbeiter“ die regional zweitgrößte Opfergruppe unter den Nicht-Kombattanten des Zweiten Weltkrieges nach den rund 800 zivilen deutschen Bombenopfern. Das Buch zeichnet auf 476 Seiten ein erschütterndes Bild zu diesem weitgehend verdrängten und vergessenen Kapitel der Regionalgeschichte.
Die größte Opfergruppe bildeten die sowjetischen Kriegsgefangenen, die ab Herbst 1941 vielfach aus Hungerlagern im Rücken der Ostfront teilweise schon sterbend zu den Arbeitskommandos in der Eifel geschickt wurden. Von den mehr als 230 umgekommenen sowjetischen Gefangenen zwischen Heimbach und Ahrdorf gingen mehr als 130 bereits im ersten Halbjahr in der Nordeifel zugrunde.
Auf der Flucht erschossen
Nach Fluchtversuchen erfolgten bisweilen Erschießungen: fünf alleine in Sötenich, mindestens drei im Lager (Berk)-Bevertberg. Andere erkrankten unter den oft katastrophalen Lagerbedingungen im Kreisgebiet und kamen im „Russen-Lazarett“ in Arnoldsweiler um. Sie wurden bislang in keiner Opferliste für den Kreis Schleiden berücksichtigt, obwohl sie eindeutig den Arbeitskommandos im Schleidener Land zugeordnet blieben.
„Abgang durch Tod“, notierte die Wehrmachtverwaltung in kalter Bürokratensprache in der Personalkarte des Opfers. Die oft verwendete Floskel der Buchhalter des Todes übernahm der Autor im Buchtitel.
Weit höher als die Zahl der Kriegsgefangenen in den Arbeitskommandos war die Zahl der überwiegend aus den besetzten Gebieten Polens und der Sowjetunion in die Nordeifel verschleppten zivilen Zwangsarbeiter, Frauen wie Männer gleichermaßen. Nur ein geringer Teil war freiwillig gekommen, rund 95 Prozent wurden unter teils grausamen Umständen aus ihren Heimatländern verschleppt.
Für die nach nationalsozialistischer Ideologie als angeblich „minderwertig“ diffamierten Osteuropäer galt ein extrem verschärftes soziales Sonderrecht, das ihnen alle Freiheiten nahm und sie zu Arbeitssklaven degradierte. Das nach Lage der Dinge günstigste Los hatten die Landwirtschaftshelfer beim Einzeleinsatz bei den Bauern und die Haushaltshilfen.
Nach sexuellen Kontakten ins KZ
Die Landwirte behandelten die Arbeiter überwiegend so, wie vorher ihre deutschen Knechte und Mägde. Wesentlich schlechter waren die Lebensumstände hingegen oft in den Massenlagern bei den großen Betrieben mit hohem Arbeitskräftebedarf.
Verstöße gegen die rassistisch motivierten „Polenverordnungen“ waren an der Tagesordnung. Sie lösten eine Flut von Geldstrafen aus, etwa wegen fehlendem „Polenkennzeichen“ an der Kleidung oder beim Übertreten des Nachtausgehverbotes. Bald füllten sich auch die Gefängnisse mit den Zwangsarbeitern. Nach angeblichen Verstößen gegen das Verbot sexueller Kontakte zu deutschen Frauen oder Arbeitsvergehen überstellte die Geheime Staatspolizei zahlreiche Polen und Sowjetbürger in die Konzentrationslager, deren Hölle längst nicht alle überlebten.
Den Untergang des Regimes vor Augen, setzte die Gestapo ab Herbst 1944 Jagdkommandos gegen angeblich „verdächtige“ Ausländer in der weitgehend evakuierten Kampfzone im Westen ein; zahlreiche Ausländer wurden nachfolgend erschossen oder erhängt.
Zwischen 5000 und 6500 Zwangsarbeiter
Der Autor untersuchte auch die Einsatzschwerpunkte der Ausländer, unter denen die Landwirtschaft die meisten Helfer beanspruchte, gefolgt von Forst- und Holzwirtschaft, Reichsbahn und Industrie. Im Ergebnis schätzt F.A. Heinen die Zahl der Zwangsarbeiter (Kriegsgefangene und Zivilarbeiter) im ehemaligen Kreisgebiet auf zwischen 5.000 und 6.500 Frauen und Männer.
Mit einem Blick auf die regionale Praxis des Gedenkens nach 1945 klingt das mit zahlreichen bislang unveröffentlichten Fotos ausgestattete Buch aus. Im Anhang finden sich die nach Kommunen gegliederten Opferlisten, Literatur- und Quellenübersicht sowie Orts- und Personenregister. Die Buchveröffentlichung wurde durch die Kreissparkasse gefördert, so dass der Verkaufspreis deutlich reduziert werden konnte.
pp/Agentur ProfiPress
Das Buch:
Franz Albert Heinen (Hrsg.: Geschichtsforum Schleiden e.V.) „Abgang durch Tod – Zwangsarbeit im Kreis Schleiden 1939-1945“, ISBN 978-3-00-059006-1, 476 Seiten DIN-A-5, Hardcover, Qualitätsdruck glänzend; Preis: 14,80 €, www.publikationen.gf-sle.de/
Der Autor:
Franz Albert Heinen (Jg. 1953, Schleiden) war fast vier Jahrzehnte als Tageszeitungsredakteur im Kreis Euskirchen tätig. Autor diverser Buchveröffentlichungen zur Regionalgeschichte des 20. Jahrhunderts, zuletzt mit Schwerpunkt zur Geschichte der NS-Ordensburg Vogelsang.
Pingback: Pressestimmen: „Franz Albert Heinen | Abgang durch Tod“ |