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Jacinta Nandi nahm kein Blatt vor den Mund

„Zu 150 Prozent autobiographisch“: Lit.Eifel-Publikum erlebte in St. Vith den polarisierenden Lebensbericht der in Berlin lebenden Engländerin

St. Vith – Allzu feingeistig durfte das Lit.Eifel-Publikum bei der jüngsten Lit.Eifel-Lesung nicht sein. Aber wer ins Café Trottinette in St. Vith gekommen war, um sich Jacinta Nandi anzuhören, hatte vermutlich zumindest eine Ahnung dessen, was ihn erwartete. Denn die 1980 in London geborene und seit 15 Jahren in Berlin lebende Halbinderin nimmt in ihrem Buch „Nichts gegen blasen“ kein Blatt vor den Mund.

Hatte man sich erst einmal daran gewöhnt, dass einem das F-Wort, die Benennungen primärer Geschlechtsmerkmale und Schilderungen dessen, was man mit ihnen anstellen kann, nur so um die Ohren flogen, war es sehr erfrischend und unterhaltsam, was die taz-Kolumnistin und „Amok-Mama“-Bloggerin zu Gehör brachte. Doch so witzig sie mitunter schreibt: Immer wieder bleibt einem das Lachen auch im Hals stecken. Etwa dann, wenn sie sich zum einen erschreckend realistisch, gleichzeitig aber anrührend empathisch über den harten Alltag bleicher, tapferer Teenie-Mütter mit dünnen Beinen und ihrer Kinder auslässt: Es sei total gegen die Natur, dass Teenager nicht nur an sich denken würden. „Aber wenigstens bringen sie ihre Kinder nicht alle um.“

Ungeniert, ehrlich und witzig: So präsentierte sich die in Berlin lebende Autorin Jacinta Nandi bei der Lit.Eifel in St. Vith. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress
Ungeniert, ehrlich und witzig: So präsentierte sich die in Berlin lebende Autorin Jacinta Nandi bei der Lit.Eifel in St. Vith. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress

Zwischendurch gab sie im Gespräch mit Guido Thomé, der als Pressereferent im Kabinett von Kulturministerin Isabelle Weykmans die Lit.Eifel begleitet, Einzelheiten über den etwas speziellen Umgang Ost-Londoner Mütter mit ihrem Nachwuchs zum Besten. „Wir lästern über unsere Kinder. Es ist eher ungewöhnlich, Kinder zu loben“, erklärte sie. Zimperlich darf auch Jacinta Nandis elfjähriger Sohn nicht sein. Sie sei froh, dass er mittlerweile in dem Alter sei, wo das Videoportal You Tube nerviges Spielzeug ablöse. Jetzt schaue er mit Begeisterung den Action-Kracher „Die Hard“ (Stirb langsam, Altersfreigabe ab 16), bekannte sie in der für sie freimütigen Art.

Ob es stimme, dass das Buch je zur Hälfte autobiographisch und fiktiv sei, erkundigte sich Thomé. „Es ist zu 150 Prozent autobiographisch, mehr als die Realität“, widersprach ihm Nandi zur allgemeinen Belustigung mit Nachdruck.

Es ist ein polarisierendes Stück Literatur, das die Autorin in Ostbelgien präsentierte. Während die einen ihr Buch vermutlich mit spitzen Fingern weglegen, ist es für andere eine ebenso ungeschönte wie ungenierte Sozialstudie. Oder „ein Spotlight auf das Leben mittdreißigjähriger Singles in der Großstadt, die ihre Einsamkeit mit Online-Dating-Portalen und pornomäßigem Sex nur überschaubar gut kompensieren“, wie es der Autor und Journalist Christoph Löhr formulierte. Und die eigentlich nur eines wollen, wie Nandi schreibt: ein normales Leben, einen normalen Mann.

Für die Autorin und Organisator Thomé war ihr Auftritt in Ostbelgien mit einigem Stress verbunden: Weil sich ihre Ankunft mit dem Zug aus Berlin um 90 Minuten verspätete, trafen Thomé und Nandi erst wenige Minuten vor Lesungsbeginn im Messe- und Kulturzentrum Triangel ein. Und aus der ursprünglich geplanten Übernachtung wurde auch nichts. Gleich nach der Lesung brachte Thomé den Gast aus Berlin nach Aachen zum Bahnhof. Von dort aus fuhr sie zum Flughafen Köln/Bonn, nahm um vier Uhr morgens die Maschine nach London, wo am selben Tag ihr Großvater beerdigt wurde. Umso höher ist es Jacinta Nandi anzurechnen, dass sie die Lesung nicht kurzfristig abge-…blasen hat.

pp/Agentur ProfiPress