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Doppeltes Wirtschaftswunder…

70 Jahre Gastronomie und Landwirtschaft auf der Wallenthaler Höhe mit Heinz Zöll: „Arbeit hat einen hohen Selbstzweck, sie ist denken, planen und umsetzen – mit Maloche hat sie nichts zu tun…“

Von Manfred Lang

Kall-Wallenthaler Höhe – 1941 in Wollseifen geboren, 1946 vertrieben, im Frühjahr 1947 mit fünf Jahren eingeschult, schon als Kind Arbeit in Stall und Feld, 1954 Metzgerlehre, Arbeit als Geselle, Lohnunternehmer, Hausschlachter, eigene Schlachtung und Gastwirtschaft, 1965 Heirat mit Annelore und Aufbau eines Allroundbetriebs mit Land-, Vieh- und Wildwirtschaft, Restaurant und Hotellerie, 1975 erstmals im Leben Urlaub gemacht…

53 Jahre lang brummte es auf der Wallenthaler Höhe in der eifelweit bekannten Postenkutschenstation, Restauration und Schmiede, die bis zum frühen 20. Jahrhundert auch über Mietmöglichkeiten für Vorspannpferde bis zum Scheitelpunkt der Höhe verfügte, die die berühmte Wasserscheide zwischen Rhein und Maas markiert.

„Arbeit hat einen hohen Selbstwert“, fasst Wirtschaftswunderkind Heinz Zöll im Interview zusammen. Arbeit sei „Denken, Planen und Umsetzen“. Das aber habe mit „Maloche“ nichts zu tun, sondern mit Selbstverwirklichung. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Nach einer Vorbesitzerin, der originellen Wirtin Franziska Hufschmied, wird das Gasthaus am Wegekreuz zwischen Wallenthal und Scheven im Volksmund „Ziska“ genannt – die Nachfolger tauften es „Eifeler Alpenhof“ wegen ihrer Liebe zu österreichischer Bauweise und Lebensart.

Die Rede ist von Heinz Zöll (79) seiner 2018 verstorbenen Frau Annelore, geb. Heimbüchel, zwei Kindern des Wirtschaftswunderdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. „Die besten Jahre davon waren 1970 bis 1980, mit Abstrichen bis 1990“, sagt Heinz Zöll im Interview.

„Menschen waren gut zu uns“

Sein Resümee: „Et hätt ömme joot jejange!“ Während des Wirtschaftswunders in Deutschland – und auch ganz persönlich in seinem Leben. Unter anderem deshalb, weil die Leute in Wallenthal und Scheven „immer gut zu uns waren“. Als sie als Vertriebene aus Wollseifen 1946 ankamen schon – er, seine Eltern Sibilla und Fritz Zöll sowie die Geschwister Gertrud, Klaus und Berthold.

„Ich war dennoch nie kleinlich und habe gesagt, das gibst Du jetzt nicht aus, weil da hast Du so schwer für gearbeitet… Geiz ist mir erspart geblieben“, so das 79-Jährige Wirtschaftswunderkind Heinz Zöll. Auch wenn seine Eltern wirtschaftlich sicher ihren Schnitt gemacht hätten, ergänzt Sohn Stefan, selbst EDV-Unternehmer (ComTec) in Kall: „Sie sind großzügige und großherzige Menschen geblieben.“ Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

„Josef Grahn aus Wallenthal, der die Obstplantage betrieb und Vieh hielt, überließ uns einen halben Morgen Ackerland, damit wir unsere Kartoffeln anbauen konnten.“ Schon 1949 waren die Eltern dazu in der Lage, die Restauration zu kaufen, 13 Morgen Acker und etwas Vieh gehörten dazu.

Auch als sich wirtschaftlicher und finanzieller Erfolg deutlich abzeichneten, habe sich an der Haltung der meisten Wallenthaler und Schevener nichts geändert: „Uns sind ganz wenig Neid und Missgunst begegnet. Die Leute haben ja auch gesehen, wie wir uns dafür abrackern!“

„Tabaksteuer wird abgezogen“

Keine so uneingeschränkt guten Erfahrungen wie mit „normalen Leuten“ machten Zölls mit Behörden und Ämtern. Deshalb kann sich Heinz Zöll auch genau an den 2. Mai vor fast 40 Jahren erinnern, den Tag, an dem er zum Nichtraucher wurde. Am 2. Mai 1981 bekamen die Eheleute einen Steuernachzahlungsbescheid, der ihnen so furchtbar überzogen vorkam, dass Heinz von einem auf den anderen Tag beschloss: „Das Geld bekommt Ihr bei der Tabaksteuer wieder abgezogen!“

Manche schwarze Stunden für andere in der Umgebung des Mechernicher Bleibergs, wie die Bergwerksschließung am 31. Dezember 1957 oder die Anlegung von NRWs größter Mülldeponie im früheren Tagebau Virginia Anfang der achtziger Jahre, entpuppten sich für den Land- und Viehwirtschaftsbetrieb mit Restauration und Hotel als Boom, so Heinz Zöll.

Der junge Heinz Zöll in seinen besten Jahren, als Ehefrau Annelore noch an seiner Seite den Alpenhof mitbewirtschaftete. 53 Jahre war sie die gute Seele des Allroundbetriebs mit Land-, Vieh- und Wildwirtschaft, Gastronomie, Hotellerie und eigener Schlachtung. Hier drückt Heinz Zöll ein Rehkitz an die Brust. Foto: Archiv Reiner Züll/pp/Agentur ProfiPress

„In den frühen sechziger Jahren kamen Tunnelbauexperten und Monteure, die tagsüber in Mechernich und zwischen Strempt und Kalenberg am Bau der streng geheimen Untertageanlage der Bundeswehr arbeiteten und bei uns wohnten und aßen“, so Wirtschaftswunderkind Heinz Zöll: „20 Jahre später beim Deponiebau war es das Gleiche…“

Aber auch sonst brummte das Geschäft ohne solche Spitzeneinnahmen stetig und zuverlässig. Es kamen Höhen und Tiefen im Wirtschaftswunderland, aber durch die Bank ging es immer in eine Richtung- aufwärts.

Heinz Zöll: „Ich erinnere mich noch gut, dass 1960 der Liter Heizöl 4,3 Pfennige kostete, bei einer Abnahme von 6000 Litern waren das 258 Mark für eine Tankfüllung.“ Das glatte Gegenteil war die Ölkrise Mitte der 70er Jahre, die unter anderem Preisexplosionen für Rohöl, Lieferengpässe, Kurzarbeit und Produktionsrückgänge in der Industrie, besonders der Autoindustrie, aus Angst vor Erdölabhängigkeit den Bau von 40 Atomkraftwerken in Deutschland und Sonntagsfahrverbote nach sich zog. „Da merkte man schon, dass weniger Gäste kamen, denn an dem einen Sonntag durften nur Pkw mit geraden und am nächsten mit ungeraden Endziffern fahren“, erinnert sich Heinz Zöll.

„Alkohol am Steuer kein Thema“

Alkohol am Steuer war auch in den 50er und zum Teil noch in den 60er und 70er Jahren kaum ein Thema in der Gastronomie. Die Leute aus den Dörfern links und rechts der B 266 gingen nach Feierabend in den zahlreichen Chaussee-Gasthäusern, so auch in der „Ziska“, „noch einen trinken“, wenn sie von der Arbeit oder vom Erledigen ihrer Geschäfte kamen.

Auch das Rauchverbot in Gaststätten habe die Zahl der Gäste in der Anfangsphase sinken lassen, so Heinz Zöll: „Ich hätte am liebsten die Fahne rausgehängt »Raucher willkommen«.“ Aber durch Essensgäste hätten er und Annelore den Rückgang kompensieren können.  

Seinen eigenen wirtschaftlichen Aufschwung im Wirtschaftswunderland kann der heute fast 80-Jährige Land-, Wild- und Gastwirt an dem Fuhrpark ablesen, den er und seine Frau Annelore im Laufe der Jahrzehnte bewegt haben. Sein erstes Auto, einen VW Käfer, teilte sich Heinz Zöll noch mit seinem Bruder Klaus, Jahrgang 1939, einem von drei Geschwistern.

Auf dem Höhepunkt des Wallenthaler Wirtschaftswunders: Annelore und Heinz Zöll. Repro: Reiner Züll/pp/Agentur ProfiPress

Ein Jahr vor der Hochzeit mit Annelore Heimbüchel, erwarb Heinz einen weißen Opel Kadett mit 1000 Kubikzentimeter Hubraum. Der Marke aus Rüsselsheim ist er zeitlebens treu geblieben. Doch mit dem Wirtschaftswunder wuchsen Hubraum und PS-Leistung: 1100er Kadett, dann der 1500er, der 1900er und schließlich 1975 der erste Commodore und zwar als „GSE“ (Grand Sport Einspritzer) mit sechs Zylindern und 175 Pferdestärken.

Als seine zwei Jahre jüngere Frau einmal mit diesem Prachtgeschoss vor der geschlossenen Bahnschranke in Mechernich stand, sprachen Lahmeyer-Arbeiter mit Blick auf den außergewöhnlichen Wagen: „Weeß de Papa datt och?“ War die junge Dame etwa unerlaubt mit der Karosse des begüterten Vaters untrwegs? 

1991 kaufte sich Heinz Zöll einen Drei-Liter-Senator mit sechs Zylindern und 200 PS, der 19 Jahre hielt. Heute fährt er einen Insignia mit 270 Pferdestärken, der mittlerweile auch schon elf Jahre alt ist.

„Schlaucht und schweißt zusammen“

Der Preis für den Wohlstand: In den ersten 30 Jahren nach dem Krieg und der Vertreibung aus Wollseifen hieß es für Zölls, es gibt keinen Urlaub, keinen Ruhetag, nur am 1. Weihnachtstag ist zu… „Das schlaucht, schweißt aber auch zusammen“, fasst Heinz Zöll mit traurigem Blick auf arbeitsreiche, aber eben auch glückliche Ehejahre mit seiner geliebten Annelore zurück.

„Arbeit hat auch etwas mit würdevollem Leben zu tun“, sagt der Mann, der schon als Metzgerlehrling für fünf Mark Trinkgeld mit dem Fahrrad 54 Kilometer am Tag zurücklegte, um Wurstwaren und Fleisch auszuliefern: „Das war viel Geld, ein Maurer verdiente zu der Zeit 1,75 D-Mark die Stunde.“ Seinen Lehrlingslohn musste Heinz den Eltern abliefern.

Ein Familienbild zur Weihnachtszeit zeigt Heinz Zöll (r.) mit Eltern und Geschwistern. Repro: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

„Damals haben viele hier n den Dörfern Metzger gelernt, aber die meisten haben nichts draus gemacht“, erinnert sich der noch immer wibbelige und umtriebige Fast-Achtziger. Er zerlegte neben seiner hauseigenen Schlachtung auch mal nebenbei 70 Wildscheine nach einer Treibjagd in Düttling. Außer in der eigenen Metzgerei schlachtete er Rinder und Schweine auf den Höfen und Schafe und Ziegen bei Kleinviehhaltern.

Heinz Zöll, der schon als Kind kräftig mit anpacken musste auf dem Feld, im Stall und auch in der Wirtschaft, war sich nicht zu schade, in einem ihm seit der Lehre bekannten Euskirchener Schlachtbetrieb „nebenbei“ für vier Mark die Stunde „reinzuklotzen“, als anderswo schon sechs oder sieben Mark gezahlt wurden.

„Arbeit muss man sehen, nicht suchen“

„Ich war dennoch nie kleinlich und habe gesagt, das gibst Du jetzt nicht aus, weil da hast Du so schwer für gearbeitet… Geiz ist mir erspart geblieben“, so der 79-Jährige. Auch wenn seine Eltern wirtschaftlich sicher ihren Schnitt gemacht hätten, ergänzt Sohn Stefan, selbst EDV-Unternehmer (ComTec) in Kall: „Sie sind großzügige und großherzige Menschen geblieben.“

„Arbeit hat einen hohen Selbstwert“, fasst Wirtschaftswunderkind Heinz Zöll im Interview zusammen. Arbeit sei „Denken, Planen und Umsetzen“. Das aber habe mit „Maloche“ nichts zu tun, sondern mit Selbstverwirklichung. Dazu erschien an dieser Stelle vor einigen Monaten eine Reportage zu Heinz Zölls Lebens- und Berufsphilosophie unter dem Titel „Hundert Berufe und tausend Ideen“.

Der Mann ist ein Tausendsassa, gelernter Metzger, Gastronom und Landwirt, eigentlich auch Koch, Hotelier und Wildzüchter: „Ein Beruf schließt den anderen mit ein.“ Das heraldisch ausgearbeitete Familienwappen zeigt den Pflug für die Landwirtschaft, Weinglas und gekreuzte Messer und Gabel für die Gastronomie, Schlachterbeile und Ochsenkopf für die Fleischerei und ein Hirschgeweih für die Wildtierhaltung. 

Arbeiten haben bei Annelore und Heinz Zöll auch die Kinder Stefan (*1966) und Elke (*1968) gelernt. Seine drei Enkel gehen Heinz Zöll bis auf den heutigen Tag gerne im „Eifeler Alpenhof“ zur Hand. Auch sie bekommen zu hören, dass Tun und wirtschaftlicher Erfolg in einem engen Zusammenhang stehen: „Arbeit muss man sehen, danach muss man nicht suchen . . . “