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Bürgermeister nimmt Sorgen ernst

Klagen wegen Staub in Neubaugebieten, der Blei enthält – Bislang gab es kaum besorgniserregende Bleimesswerte bei Menschen – Stadtverwaltung Mechernich hält neuerliche Testmessungen aber für sinnvoll

Mechernich – Es gibt Menschen, die sorgen sich um bleibelasteten Staub, der bei Erdarbeiten in Neubaugebieten zwischen Mechernich und Kommern aufgewirbelt wird. Einer hat sogar Strafanzeige wegen des Verdachts der Gesundheitsgefährdung und Umweltverschmutzung gestellt. Die in der Stadt Mechernich erscheinenden Tageszeitungen „Kölnische Rundschau“ und „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichten darüber.

„Von ein oder zweimal Einatmen“ von bleihaltigem Staub werde man keine ernsten Belastungen davontragen, so Dr. Jörg Schriever: Das gefährliche Bleioxyd, das damals beim Verhütten am Bleiberg entstand, sei aber sehr wohl imstande gewesen, die Menschen mit Blei zu vergiften. Deshalb hätten die Gebrüder Kreuser auch den „Langen Emil“, damals Europas höchsten Schornstein, gebaut, der die Oxyde in fast 160 Metern Höhe verwirbeln ließ, die dann weitab von Mechernich wieder verdünnt zu Boden gingen. Foto: Stadtarchiv Mechernich/pp/Agentur ProfiPress

Dass rund um den Bleiberg die Böden „geogen“, also naturgegeben, mit Schwermetall belastet sind, ist allgemein bekannt. Gleichwohl nimmt Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick die Sorgen der Bürger ernst. Und gibt dem Anzeige erstattenden Bürger auch recht, dass hier klare Aussagen der Fachbehörden erwartet werden.

Denn seit dem „Bleiskandal“ Anfang der 80er Jahre gab und gibt es immer wieder Untersuchungen zur Bleikonzentration, im Boden, im Grundwasser und auch bei Menschen. Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick: „Der Kreis untersucht auch seine Mitarbeiter der Müll- und Recyclingbetriebe an der Kreismülldeponie nahe Kalenberg regelmäßig auf Bleibelastung.“ Und zwar bis heute ohne jeden bedenklichen Befund.

„Keine toxisch relevanten Bleianreicherungen“

Christian Ramolla vom Gesundheitsamt des Kreises Euskirchen: „Aus meiner langjährigen ärztlichen Tätigkeit im Kreis Euskirchen sind mir keinerlei toxikologisch relevanten Bleianreicherungen im menschlichen Körper von hier lebenden Personen bekannt.“ Die Stadt Mechernich werde aber trotzdem in Abstimmung mit den übergeordneten Behörden wie Kreis, Bezirksregierung und LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz) prüfen, ob ergänzende Untersuchungen durchgeführt werden sollen.

Anfang der 80er Jahre wurden Reihenuntersuchungen durchgeführt. „Das war eine offizielle Studie“, so Dr. Jörg Schriever, der frühere Chefarzt der Kinderabteilung am Kreiskrankenhaus in Mechernich. Dabei seien einige chronische, aber keine akuten Bleivergiftungen zu Tage gekommen. „Und die Einzelfälle waren jeweils besonders und durch falsches Verhalten erklärbar“, so Schriever.

Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick nimmt die Sorgen der Bürger ernst und gibt ihnen auch recht, dass klare Aussagen der Fachbehörden erwartet werden. Foto: pp/Archiv ProfiPress

In einem Fall hatte ein Vussemer Vater Bleisand aus Strempt zum Befüllen des Sandkastens seiner Kinder verwendet, ein anderer aus dem Kölner Raum zugezogener Kalenberger hatte in Unkenntnis der geogenen Bleibelastung Bleisand von der damaligen Motocross-Bahn zur vermeintlichen „Bodenverbesserung“ im Gemüsegarten verteilt.

Damals, Anfang der 80er Jahre, lösten der spätere DGB-Landeschef Dieter Mahlberg und der Journalist Wolfgang Rau mit der Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Arbeit zur Bleibelastung im Raum Mechernich eine überregionale Medienkampagne aus. Zeitweise war von „Bleihysterie“ die Rede. Jörg Schriever: „Schnell wurde das Thema Blei ein Politikum und ich geriet als um Neutralität bemühter Mediziner zwischen die Stühle.“

Ein großes Problem waren damals die Bleisandberge auf „Spandau“, wie das Mechernicher Bergwerk im Volksmund genannt wurde, und entlang des Bleibachs zwischen Kalenberg und Roggendorf. Dort gab es bis dahin weite, biologisch scheinbar tote Landschaften aus weißem Bleisand. Der Wind verteilte den feinen Sand im Umland, am Bleiberg gab es Wanderdünen, die ganze Waldteile unter sich begruben.

Arbeitsmedizinische Untersuchungen an Mülldeponiemitarbeitern

Die Bleibelastung bei vielen Menschen musste signifikant sein, mutmaßte man damals. Entlang des Bleibachs kam es bis Erftstadt nach Hochwassern immer wieder zu tödlichen Bleivergiftungen beim Weidevieh. Der damalige Kölner Regierungspräsident Dr. Franz-Josef Antwerpes sorgte für eine großflächige Abdeckung der Sandhalden und Wanderdünen. Die mutmaßliche „Bleiverseuchung“ der Bevölkerung bestätigte sich hingegen bei den damaligen Untersuchungen nicht. Es blieb in der Studie bei Einzelfällen.

Allerdings gab es auch Fälle einer verzögerten Sprachentwicklung bei Kindern und Gehörschäden, die mit Blei zu tun haben könnten, erinnert sich Dr. Jörg Schriever. Mit seiner Idee, einen Doktoranden mit Untersuchungen im Raum Mechernich und einer Vergleichsgruppe in einer nicht bleibelasteten Gegend zu beauftragen, kam der Kinderabteilungs-Chefarzt damals aber nicht durch. Er würde aber auch heute noch „gerne wissen, statt nur zu vermuten, dass die Bleibelastung im Menschen“ in Mechernich eher gering ist.

Der frühere Mechernicher Kinderabteilungs-Chefarzt Dr. Jörg Schriever, hier bei einem Drittwelteinsatz, würde „gerne wissen, statt nur zu vermuten, dass die Bleibelastung im Menschen“ in Mechernich eher gering ist. Er wünscht sich eine Doktorarbeit zum Thema. Foto: pp/Archiv ProfiPress

Schriever geht auch davon aus, dass die Werte nach Abdeckung der Bleisandhalden mit Mutterboden noch weiter zurückgegangen sind. Kreispressesprecher Wolfgang Andres sagte dem „Bürgerbrief“: „In der Vergangenheit wurden Untersuchungen zur Auswirkung der geogen vorkommenden Bleibelastung durchgeführt. Unter anderem waren arbeitsmedizinische Untersuchungen von Mitarbeitern der Zentralen Mülldeponie in Mechernich über mehrere Jahre ohne Befund.“

„Was sollen Bauern beim Grubbern und Eggen gegen Staub machen?“

Bleibelastung im Boden gab es vor und nach „Bleiskandal“ und Bergbau. Deshalb sollte die Staubbelastung bei Erdarbeiten auch niedrig gehalten werden, etwa durch das Befeuchten des Aushubs. „Gerade in einem so extrem trockenen Jahr wie 2018 ist eine gänzliche Staubvermeidung natürlich sehr schwer “, so Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick.

Der Baufirma hätte stärker auf die Finger geschaut werden müssen, damit diese die trockene Erde öfter wässere, um das Wehen des Staubes in die Wohngebiete zu vermeiden, argumentiert der Anzeigenerstatter.

Mitte Oktober hat er der Stadtverwaltung Mechernich mitgeteilt, dass bei Erdarbeiten im Bereich Großer/Kleiner Bruch im Norden der Kernstadt Mechernich abermals Staub aufgewirbelt worden sei. Bereits im Hochsommer hatte sich der Bürger über die Staubentwicklung beschwert.

Von einer Wässerung, die den möglicherweise bleihaltigen Staub verhindern würde, könne keine Rede sein. Laut Kreisverwaltung seien im benachbarten Baugebiet „Auf dem Wacholder“ je nach Messpunkt 400 bis 1000 Milligramm Blei pro Kilo Erde gemessen worden.

Ein großes Problem waren die Bleisandberge auf „Spandau“, wie das Mechernicher Bergwerk im Volksmund genannt wurde, hier am Kallmuther Berg. Entlang des Bleibachs zwischen Kalenberg und Roggendorf gab es bis in die 80er Jahre weite, biologisch scheinbar tote Landschaften aus weißem Bleisand. Der Wind verteilte den feinen Sand im Umland, am Bleiberg gab es Wanderdünen, die ganze Waldteile unter sich begruben. Foto: pp/Archiv ProfiPress

Welche Gefahr bei Staubbildung davon für die Anwohner ausgeht, vermochte bislang noch keine Behörde eindeutig zu sagen, zitiert der Redakteur Michael Schwarz den Kommerner Bürger, der Klage führt: „Doch der Kreis stellte auch klar, dass hier der Grundsatz wie für jede Baustelle gelte: so wenig Belastungen für die Nachbarn wie möglich.“

Dr. Jörg Schriever sagte, „von ein oder zweimal Einatmen“ von bleihaltigem Staub werde man keine ernsten Belastungen davontragen: „Was sollen denn die Bauern machen, die die Felder seit Urzeiten grubbern und eggen?“ Das gefährliche Bleioxyd, das damals beim Verhütten am Bleiberg entstand, sei aber sehr wohl imstande gewesen, die Menschen mit Blei zu vergiften. Deshalb hätten die Gebrüder Kreuser auch den „Langen Emil“, damals Europas höchsten Schornstein,  gebaut, der die Oxyde in fast 160 Metern Höhe verwirbeln ließ, die dann weitab von Mechernich wieder verdünnt zu Boden gingen.

Bürgermeister lässt neue Untersuchungen prüfen

Bei der Stadt Mechernich ist die Polizei nach der per Internet gestellten Strafanzeige zwar noch nicht vorstellig geworden, aber Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick äußerte sich auf Anfrage von Michael Schwarz. Den Vorwurf der Ignoranz wies er dabei zurück: „Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger ist mir keinesfalls egal. Ganz im Gegenteil: Das ist mir eine Herzensangelegenheit.“

Deshalb hat sich die Stadtverwaltung auch mit der Bitte um rasche und umfassende Aufklärung über Reihenuntersuchungsergebnisse und Bleibelastungsmessungen seit den 80er Jahren bis heute eingesetzt. Inwieweit heute aufgrund zwischenzeitlich veränderter Grenzwerte neue Bewertungen oder gar neue Untersuchungen erforderlich sind, konnte der Bürgermeister noch nicht sagen. Er ist aber diesbezüglich in Kontakt mit den zuständigen übergeordneten Behörden. Dr. Jörg Schriever würde begrüßen, wenn eine Doktorarbeit zu dem Thema in Auftrag gegeben würde.

pp/Agentur ProfiPress