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100. Geburtstag mit der Familie gefeiert

Gertrud Erdmann kam nach dem Krieg aus Ostpreußen in die Eifel – Enkelinnen kümmern sich liebevoll um die Jubilarin

Mechernich-Kommern – Ihren 100. Geburtstag feierte Gertrud Erdmann am Nikolaustag im Kreis ihrer Familie. Ihre Enkelinnen Carmen Gottschalk und Marcella Lingscheidt und ihre Urenkelinnen, die sich regelmäßig liebevoll um die betagte Dame kümmern, haben ihr die Feier ausgerichtet. Und obwohl die Jubilarin schon seit vielen Jahren zunächst im betreuten Wohnen und seit 2001 im Kommerner Seniorenheim Falkenhorst lebt, erinnern sich auch heute noch ehemalige Weggefährten der Familie aus Olef und Gemünd an sie. „Gerade in der letzten Zeit bin ich häufig gefragt worden, wie es ihr geht“, freut sich Marcella Lingscheidt über das Interesse.

Geboren wird Gertrud Erdmann in der ostpreußischen Stadt Memel zur Zeit des „Kohlrübenwinters“ während des Ersten Weltkrieges, als im Deutschen Reich Hungersnot herrscht und Preußen den härtesten Winter seit Kriegsbeginn erlebt. Sie ist das dritte von fünf Kindern, doch ihre ein Jahr zuvor geborene Schwester stirbt bereits im Alter von anderthalb Jahren. Heute lebt von ihren Geschwistern noch ihre mit 86 Jahren jüngste Schwester Renate.

Die Eltern betreiben in Memel eine chemische Reinigung. 1934 siedelt die Familie aus politischen Gründen in die ostpreußische Garnisonsstadt Allenstein um, wo der Vater eine Färberei und Reinigung aufkauft. „Hier musste er die verdreckten und blutigen Uniformen und Decken der Armee reinigen“, berichtet Gertrud Erdmanns Nichte Gisela-Marianne Wagner, die die Geschichte der Familie aufgeschrieben hat und zu besonderen Familienereignissen Erinnerungsbücher erstellt.

Ihren 100. Geburtstag feierte Gertrud Erdmann (l.) im Kommerner Seniorenheim Falkenhorst, hier mit ihrer Tochter Regina (r.) und ihren Enkelinnen Marcella Lingscheidt (r.) und Carmen Gottschalk. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress
Ihren 100. Geburtstag feierte Gertrud Erdmann (l.) im Kommerner Seniorenheim Falkenhorst, hier mit ihrer Tochter Regina (r.) und ihren Enkelinnen Marcella Lingscheidt (r.) und Carmen Gottschalk. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress

1941 bringt Gertrud Erdmann in ihrem Elternhaus ihre Tochter Regina zur Welt. Am 21. Januar 1945 flüchtet sie mit ihren Eltern und der kleinen Regina zu Fuß durch Schnee und Eis. Über Pasewalk in Pommern führt sie der wochenlange Marsch schließlich nach Lütjenburg in Schleswig-Holstein, wo sie im Haus eines Bauunternehmers Obdach finden. Hier bearbeitet der Vater den Flüchtlingen zugewiesenes Grabeland und verdient Geld als Hilfskraft in einer Färberei.

Im Jahr 1949 heiratet Gertrud Erdmann mit 33 Jahren den zwölf Jahre älteren Schlosser Bruno Erdmann, der auf der Flucht ebenfalls in Lütjenburg gelandet war. Schon bald erhält er den Ruf, die in Schutt und Asche liegende Pappenfabrik Oswald Matheis in Schleiden-Olef wiederaufzubauen. So gelangt die junge Familie Erdmann schließlich in die Eifel.

Während Gertrud Erdmann das Familieneinkommen als Reinigungskraft aufbessert, steht Tochter Regina nach Abschluss der Volksschule an der Stanze, wo sie unter anderem Weihnachtspappteller ausschneidet. Ein eigener Gemüsegarten, Hühner, Kaninchen, Ziegen, Schafe und ein Hund gehören in dieser Zeit zum Haushalt. Kommen Verwandte zu Besuch, sind sie begeistert von der schönen Eifel-Landschaft.

Die Familie Erdmann erlebt 1953 das 80-jährige Firmenjubiläum der Firma Matheis, den Abriss des alten Firmengebäudes und den Neubau der Firma Cere-Star, aus der später das Unternehmen Pap-Star hervorgeht. Als 1970 und 1971 die Enkelinnen Carmen und Marcella geboren werden, führt Gertrud Erdmann den Haushalt ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes in Malsbenden und kümmert sich gemeinsam mit ihrem Ehemann Bruno liebevoll um die Enkelinnen, während Tochter Regina in der Wäscherei Geld verdient. 1973 stirbt Bruno.

Ein besonderes Ereignis erlebt sie, als sie bereits im Haus Falkenhorst wohnt. Anlässlich eines Familientreffens reist ein Cousin aus Kalifornien an, der seit seiner Auswanderung im Jahr 1953 keinen Kontakt mehr zu seiner väterlichen Familie hatte und erst durch eine Suchanzeige im „Memeler Dampfboot“, einer Zeitschrift der Memeldeutschen, die Verwandtschaft wiederfand. Weil Gertrud Erdmann zu dieser Zeit nicht mehr reisen kann, besucht der Cousin, den sie zuletzt 1942 während des Krieges gesehen hat, in Kommern.

pp/Agentur Profipress