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AllgemeinRotes Kreuz im Kreis Euskirchen

„Armutsspirale durchbrechen“

Ein heißes Thema, das auch in der Stadt Mechernich pressiert, wurde in einer Podiumsdiskussion bei der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Euskirchen (AGW) im Forum St. Matthias drei Tage vor der Wahl behandelt – Inhaltlich wollen alle Landtagskandidaten eine gesellschaftliche Isolation von einkommensschwachen Menschen verhindern, wenn auch mit unterschiedlichen Mitteln – Rotkreuzchef Rolf Zimmermann, einer der Organisatoren: „Lobby für die Wohlfahrtsverbände und ihre Klientel wurde gestärkt, eigentlich müssten solche Debatten auch vor Kommunalwahlen in jeder Stadt und Gemeinde stattfinden“ – Moderation lag bei Manfred Lang (Mechernich)

 

Über Armutsbekämpfung und die Sozialpolitik im Land unterhielten sich drei Tage vor der Wahl (links) Dr. Ingo Wolf, MdL Klaus Voussem, Manfred Lang, Angela Kalnins, Thomas Bell und Uwe Schmitz. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress

 

Euskirchen/Mechernich – Im Prinzip können sich alle Kunden und Mitarbeiter der Wohlfahrtsverbände im Kreis Euskirchen und in der Stadt Mechernich freuen: Alle sechs Landtagskandidaten, die am Donnerstagnachmittag an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Macht Armut krank?“ im Euskirchener Forum St. Matthias teilnahmen, signalisierten Unterstützung. Und zwar nicht nur für den Fall, dass sie gewählt werden, sondern auch darüber hinaus, jeder an dem Platz, an dem er politisch Einfluss nehmen kann.

Insofern ist die Rechnung der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Euskirchen aufgegangen, die sich im Vorfeld mit dem Journalisten, Diakon und Moderator Manfred Lang aus Mechernich zusammengesetzt hatten, um ein Themen- und Thesenpaket für das gemeinsame Gespräch ihrer „Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Euskirchen“ mit den Landtagsabgeordneten und Kandidaten zu schnüren.

Landtagskandidaten mit nuanciert unterschiedlichen Positionen

Es sollte um die neue Armut im Land gehen, die die Leute krank macht, und am Rande auch darum, dass Krankheit heute im ehemaligen sozialen Vollversorgungsstaat Bundesrepublik Deutschland die Leute wieder arm machen kann. Das Ehrenamt, seine immense Bedeutung für die gesamte Gesellschaft  und seine schwindende Unterstützung durch die Instanzen der föderalistischen Bundesrepublik sollte ebenso thematisiert werden wie Betreuungsgeld, Inklusion, Migration, Bildungs- und Teilhabepaket.

Dazu vertraten MdL Klaus Voussem (CDU), Uwe Schmitz (SPD), Angela Kalnins (Bündnis 90/Die Grünen), MdL Dr. Ingo Wolf (FDP), Thomas Bell (Die Linke) und Thomas Winzberg (Piraten) zwar nuanciert unterschiedliche Positionen. Doch unter dem Strich gelang das, was sich die Wohlfahrtsverbände (Awo, Caritasverband für das Kreisdekanat Euskirchen, Caritasverband für die Region Eifel, Diakonisches Werk Euskirchen, Diakonisches Werk im Kirchenkreis Aachen, Rotes Kreuz im Kreis Euskirchen und der Paritätische Wohlfahrtsverband) von der Podiumsdiskussion versprochen hatten: Die politische Lobby insgesamt  für die Wohlfahrtsverbände und damit auch für die von ihnen betreute und vertretene Klientel wurde erheblich gestärkt.

Harte, aber faire Debatte

Zu der in der Sache harten, aber fairen und die Wohlfahrtsverbände wie das Ehrenamt stärkenden Debatte trugen auch die Zwischenfragen aus dem Publikum bei. Rotkreuz-Kreisgeschäftsführer Rolf Zimmermann, Diakon Walter Steinberger (Evangelische Kirche), die Caritas-Chefs Rolf Schneider (Schleiden) und Franz-Josef Funken (Euskirchen) sowie Bernhard Becker (Suchthilfe) meldeten sich ebenfalls pointiert zu Wort.

Klaus Voussem (CDU, Jahrgang 1970, Rechtsanwalt, gebürtiger Euskirchener, Politiker seit dem 17. Lebensjahr, Fraktionschef im Stadtrat Euskirchen seit 2001, Landtagsabgeordneter seit Mai 2010) gab zu erkennen, dass er gerade bei den Kindergartenplätzen für unter Dreijährige ansetzen will, um Familien und Alleinerziehende zu unterstützen.

Denn Bildung, so Dr. Ingo Wolf (FDP, Jahrgang 1955, Rechtsanwalt, Euskirchen, Politik als Hauptgemeindebeamter seit 1990, Landtagsabgeordneter seit Mai 2000, zeitweise Fraktionsvorsitzender, von 2005 bis 2010 Landesinnenminister im Kabinett Rüttgers) sei das Patentrezept generell gegen Armut.

Deshalb seien die Erwachsenen aber nicht unwichtig, befand Uwe Schmitz (SPD, Jahrgang 1965, Rechtsanwalt, Kall, Politik seit dem 16. Lebensjahr, seit 1994 Gemeinderat Kall, seit 1999 Kreistag Euskirchen, seit 2004 Fraktionschef im Kreistag). Der Staat müsse in seinen ganzen Verästelungen alles daran setzen, um das Abrutschen ganzer Familienverbünde in die Armut und letztlich in die soziale Resignation zu verhindern: „Es gilt, die Armusspirale zu durchbrechen“.

Thomas Bell (Jahrgang 1966, Diplom-Verwaltungswirt, Bad Münstereifel, Politik seit 1985, Kreistagsmitglied, Fraktionsvorsitzender), der 25 Jahre die SPD vertreten hatte, ehe er zur Linken übertrat, übte Kritik an der eher halbherzigen Sozialpolitik der Düsseldorfer Regierungsparteien vor und nach 2010.

Thomas Winzberg (Piraten, Jahrgang 1965, Diplom-Sozialwirt, Schleiden) bot sich und seine Gruppierung als Protestpotential, aber auch Alternative zu den „Etablierten“ an, wenngleich es ihm an konkreten praktischen Vorstellungen zu einer besseren Bildungs- und Sozialpolitik noch zu mangeln schien.

Angela Kalnins (Bündnis 90/Die Grünen, Jahrgang 1956, Diplom-Biologin, Zülpich, Politik seit 1989, Rat der Stadt Zülpich seit 1995, Kreistag seit 2005) plädierte auf Armutsbekämpfung in allen Generationen. Staatliche Maßnahmen müssten mit denen von Wohlfahrtsverbänden und Vereinen einhergehen. Nicht nur sie forderte weniger Bürokratismus in der Abwicklung staatlicher Maßnahmen wie dem Bildungs- und Teilhabepaket.

Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände hatte die Debatte vorbereitet

Rolf Zimmermann, Felix Thurow, Carsten Düppengießer und Manfred Lang, die die Podiumsdiskussion für die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Euskirchen vorbereiteten, hatten dem Publikum, das sich größtenteils aus Angehörigen der Wohlfahrtsverbände zusammensetzte, eine möglichst konkrete, lebensnahe und im Kreis Euskirchen „geerdete“ Debatte bescheren wollen.

Deshalb hatten sie den Kandidaten vorab schriftlich die Eingangsfrage zukommen lassen: „Wer oder was ist Ihrer Meinung nach aktuell das herausragende soziale Problem im Kreis Euskirchen und was gedenken Sie/Ihre Partei im Landtag zur Lösung zu unternehmen?“

Hatten die Wohlfahrtsverbände auf diese Frage das Eingehen der Politiker auf soziale Brennpunkte wie Erftbleiche oder Peter-Simons-Straße in Euskirchen oder die Roggendorfer Landstraße in Mechernich erwartet, so trog diese Hoffnung.

Der Umstand, dass Nothaushalt-Kommunen sich aus der freiwilligen Jugendförderung herausziehen (müssen), wurde aus dem Publikum in die Debatte geworfen. Ebenso die mangelnde direkte Unterstützung des Ehrenamtes durch den Kreis Euskirchen. Insgesamt blieb aber erkennbar, dass Wohlfahrtsverbände und Landtagskandidaten ein weiteres Auseinanderklaffen der Gesellschaft in Arme und Reiche, wenn auch mit unterschiedlichen Mitteln und Methoden, aber doch gemeinsam verhindern wollen.

Das Entstehen eines neuen vierten Standes im Staat wollen alle verhindern, eine Art „Versorgungs-Proletariat“ (Moderator Lang) oder  „Generation Hartz IV“, also ganze Familienbünde, aus denen heraus sich die nachwachsende Generation nicht auf Lehrstellensuche begibt, sondern aufs Sozialamt. Denn das könne sich eine halbwegs solidarische Gesellschaft auch volkswirtschaftlich gar nicht leisten, in der man erkennbar bald darauf angewiesen ist, dass jeder mit anpackt.

pp/Agentur ProfiPress